Eine Nacht im UFO – ein Biwak der besonderen Art

Eine Nacht im UFO – ein Biwak der besonderen Art

29. Dezember 2018 0 Von berniepiko

Der Frühherbst zeichnet den Morgenhimmel in den schönsten Farben und wir drei starten in die diesjährige Berg- und Hochtourensaison: 

erster Tag: 15. September 2018: „Wir drei“, das sind Karin, Mario und ich, nach einigen Wochen ist nun endlich wieder Zeit für ein gemeinsames Projekt. Das große Wiesbachhorn stand schon lange auf unserer To-Do-List, und da dort nur neue Projekte Platz finden dürfen, wenn vorhandene erledigt wurden, geht´s los: Der Aufstieg war immer vom H.-Schweigerhaus aus angedacht. Mir ist beim Studium der Karten eine Aufstiegsvariante aufgefallen, die wenig begangen scheint und uns wirklich interessiert: Über die Gruberscharte von Fusch aus… Mario ist schon mal Feuer und Flamme und Karin sagt grundsätzlich nicht nein… Wir rauschen schon mit unserer Berglimousine (ein zeitloser Peugeot 406) durchs Salzachtal in Richtung Fusch an der Glocknerstraße. Gleich am Parkplatz fragt mich ein Bergler, der neben uns parkt, ob ich der Bernie sei… nach kurzem Fragen stellt sich heraus: es ist Paul, der Bergrettungs-Chef aus Fusch, mit dem ich gestern über die Verhältnisse am Gletscher telefoniert habe. Nachdem es nicht so viele Autos aus Velden am Parkplatz gab, redete er mich an und wünscht uns viel Erfolg für die Tour – hoffentlich werden wir ihn in den nächste 48 Stunden nicht „dienstlich“ brauchen, witzeln wir.

Wir haben den Aufstieg zur Gruberscharte über die Schwarzenberghütte geplant: um die Scharte und die dort gelegene Biwakschachtel zu erreichen, muss man nach 2000 zurückgelegten Höhenmetern noch einen durchaus knackigen Gletscherbereich bzw. Eisbruch überwinden. Nach der Nacht im Gruberscharten-Biwak auf 3100m sind die 3000er „Klockerin“, „Bratschenkopf“ und das „große Wiesbachhorn“ geplant. Laut der Karte ist der Weg vom Biwak aus ein Spaziergang… aber erst müssen wir den Aufstieg hinbekommen. Bis zur Schwarzenberghütte auf ca. 2270m „zaht“ sich der Weg schon, aber das Supperl und das Bier auf der Hütte motiviert uns wieder! Nach einer Stunde Pause ist es nun früher Nachmittag, die Leute auf der Hütte geben uns nochmals Tipps für den Zustieg zum Hochgruberkees und wünschen uns Glück. Die Nebelfetzen ziehen im Gipfel- und Gratbereich herum, wir wissen also nicht, wie gut die Sicht am Gletscher sein wird. Je weiter wir zum Gletscher kommen, desto besser wird das Wetter und unsere Stimmung und Spannung: nur mehr wenig Nebel und beste Sicht – wir sehen am Grat auch schon die knallrote Biwakschachtel herunterblitzen:

Hochgrubenkees Gruberscharte

Blick zur Gruberscharte über das Hochgruberkees

Und nach einer durchaus imposanten Gletscherpartie mit einigen Erfahrungen für uns sind wir froh, auf der Scharte oben angelangt zu sein: Der Bergretter hatte recht: die Verhältnisse passen perfekt und es war alles sehr gut begehbar – im Gegensatz zu den Horrormeldungen aus 2016, als der Gletscher nur aus Blankeis bestand, haben wir tolle Firmverhältnisse und frei liegende, gut sichtbare wuchtige Spalten – die für uns recht unerfahrene Gletschergeher immer wieder ein imposantes Erlebnis sind. Die Entspannung und Freude ist echt groß, als wir über den Sattel zum Biwak hinüber blicken: 

Blick zur Klockerin und Gruberscharten-Biwak

Am Bild im Hintergrund liegt der Gipfel der Klockerin 3425m, unser Ziel für morgen. Doch erstmal wird der Biwak bezogen und wir sind echt begeistert: Das Ding wirkt wie ein soeben gelandetes knallrotes UFO und nach dem Öffnen der Türe wissen wir: hier wird uns die Nacht und die Kälte nichts anhaben, hier werden wir es gemütlich haben UND hier werden wir auch den morgigen Geburtstag von unserer Karin gebührend feiern können… Mario hat da noch einige Überraschungen auf Lager bzw. im Rucksack.

Der Biwak ist für max. 9 Personen gut ausgestattet, Decken sind genügend vorhanden und zu dritt ist es natürlich für uns ideal geräumig und gemütlich… nach einem feudalen Abendessen (Chili con carne (aus Trockenfutter), jeweils ein Bier, Schoko und ein „Zirberle“ vom Mario geht´s uns gut, wir spielen Karten und hauen uns dann aufs Ohr… um am kommenden Morgen Karins Geburtstag zu feiern!

Sonnenaufgang auf der Gruberscharte/Klockerin

zweiter Tag: 16. September 2018: Sonnenaufgang…. während wir diesen Blick genießen und das Geburtstagskind die Morgentoilette hinter einem passend großen Stein erledigt, wird in der „Schachtel“ die Party gestartet. Mario zaubert aus dem Rucksack Ballone, einen Kuchen, einen „Piccolo“-Sekt und natürlich zwei Partyhüte und „Tröten“ für uns, um Karin beim Betreten des Biwaks perfekt zu überraschen – was uns gelingt: „Happy Birthday und Proooost, liebe Karin…“ und so schnell hat man einen Schwips am Morgen 🙂 

Happy Birthday Obi

Doch wir sind nicht (nur) zum Feiern hier: heute stehen drei 3000er und ein langer Abstieg am Programm: Der Weg zur Klockerin ist erwartungsgemäß leicht und locker und wir marschieren gemütlich und ohne Stress weiter zum Bratschenkopf – Gletscherkontakt, also mit Steigeisen unterwegs. Bei der Jause am Bratschenkopf schauen wir bei bestem, ja kitschigem Wetter zum Wiesbachhorn, dem eigentlichen Ziel der Tour hinüber. Unglaublich, wie dieser Berg von hier aus seine „Zuckerseite“ zeigt, doch schaut selbst: 

Das große Wiesbachhorn vom Bratschenkopf aus gesehen

Wir genießen die Ausblicke in alle Richtungen, Kitzsteinhorn, Glockner, alle sind zum Greifen nahe. Mario schaut von Gipfelkreuz nach unten uns meint: „alles safe“… der Abstieg vom Bratschenkopf nach Nord-Osten sollte also für uns kein Problem sein, sollte… doch wir haben an diesem Tag wieder gelernt, dass man sich nicht täuschen darf. Wenn nämlich einer von dreien beginnt, sich unsicher zu fühlen, ja sogar Angst bekommt, dann ändert sich Wohlbefinden rasant in absoluten Stress – und den hatten wir, bis wir alle drei sicher, wohlbehalten und recht froh am Gletscher unten ankamen. Doch dieser kurze Abstieg durch eine Firnflanke hat uns auch wieder gezeigt, wie schnell sich der Glaube „die Berge gehören uns“ in die Wahrheit wandeln kann: „Wir gehören ihnen“. Pause am flachen Gletscher, etwas wortkarg und nachdenklich… Der Aufstieg zum Wiesbachhorn war damit auch abgehakt: „alle oder keiner“, für heute heißt das also „keiner“. Noch ein letzter Blick hinauf zum Gipfel, der zum Greifen nah ist, und dann Abstieg in Richtung Schwarzenberghütte. Ein bissl mit gesenktem Kopf, aber wer weiß, wozu das gut ist… ich bin nicht sauer, aber wenn der Gipfel zu nahe ist, ist der Rückzug schwer. Von nun an gings bergab, und zwar ordentlich. Die „Bratschen“ wird uns in Erinnerung bleiben, steil geneigte Platten, die unten von einer Steilwand eingefasst werden – man geht also eigentlich senkrecht runter ins Leere. Während Karin und ich hier lustig dahinmarschieren, wird Mario immer ruhiger… sein Respekt steigt merklich vor dieser Landschaft, bei der „auf Reibung gehen“ einen neuen Wert bekommt.

„Auf Reibung gehen“ – nach zwei Tagen in meinen Schuhen wurde mir beim Abstieg dieser Begriff leider auch besonders bewusst – Blasen an den Zehen und noch kein Ende in Sicht. Oh, wie freut man sich da über jeden gut gemeinten Rat der Kameraden… danke an die beiden, dass sie mich und mein Gesudere an dem Tag ausgehalten haben.

Die Anstrengungen vergisst man, die schönen Erinnerungen bleiben – und eine Zusammenfassung von all dem gibt´s hier>> 

Danke an den Alpenverein-Gebirgsverein Wien für den Erhalt des Biwaks – Kompliment: der gute Zustand und die Ausstattung hat uns überrascht!

Danke an Paul/Bergrettung Fusch für die Tipps vorab!