Großglockner? Muss ich da wirklich hinauf?

Großglockner? Muss ich da wirklich hinauf?

5. Februar 2019 0 Von berniepiko

Unser Bergführer Christian „Kruscht“ Riepler am Gipfel

Der Großglockner: der höchste Berg Österreichs, okay. Aber was fällt mir noch dazu ein, wenn mich jemand fragt, ob ich da hinauf will? Ich denke da zuerst an „I am from Austria!“ und meinen Onkel, der ein Bild von seiner Glocknerbesteigung in den 60er-Jahren in seiner Küche hängen hatte und welches mich immer fasziniert hat.

Gereizt hat mich der Glockner aber nie: zu überlaufen, zu sehr „macht ja jeder“ und das Wissen der Völkerwanderung da rauf war für mich im Kopf. Bis ich auf der Oberwalderhütte an der imposanten Nordseite des Glockners in der Sonne saß und mit den Bergführern über diesen Berg plauderte… über den Meletzki-Grat und den Lammer-Grat als interessante Aufstiegsvarianten… plötzlich bekam dieser Berg neue interessante Aspekte. Und da ruft mich im August doch ein Freund an und fragt, ob ich mit ihm das schon gebuchte Eistraining und den Aufstieg zum Gipfel im September machen will. Na gut, erst wenig begeistert, aber dann doch motiviert sage ich zu. 

Na dann mal los: 

Mitte Septemper 2018 geht´s also am Mittwoch Abend zu dritt mit dem Auto nach Kals und dann zu Fuß zur Stüdlhütte. Imposant und schön, wie der Glockner uns gelassen beim Aufstieg zusieht und wir nach ca. zwei Stunden Marsch abends auf der Hütte ankommen. Die Stüdlhütte besticht schon alleine durch die tolle Architektur:

Stüdlhütte

Besser noch als die Optik der Stüdlhütte ist jedoch das gastronomische Angebot – Haubenküche auf höchstem Niveau – und zwar auf 2801m. Wir fühlen uns im Gastraum wohl und warten bei bester Versorgung auf unseren Bergführer Christian. Der Plan ist morgen, Donnerstag ein Gletschertraining und der Aufstieg zur Adlersruhe und am Freitag sollte es dann zum Gipfel gehen.

Pünktlich nach dem Abendessen trifft Christian ein und statt einen alten Bergfex mit „Lederhandtaschl“-Haut setzt sich ein junger sympathischer Bursche zu uns und beginnt uns gleich zu interviewen und gleich mit ein paar theoretischen Tipps für den morgigen Tag. Beim Plaudern schmecken die Biere und um 22.00 Uhr ist Nachtruhe – wir wollen morgen früh los.

Donnerstag: Crashed-Ice-Trainingstag: 

Um 0700 ist Tagwache – Katzenwäsche und dann ab zum schnellen uns ausgezeichneten Frühstück. Kurzer Materialcheck und ab geht´s in Richtung Teischnitzkees, einem doch sehr imposanten Gletscher an der Südwest-Seite des Gipfelaufbaus. Gleich zu Beginn sind wir beeindruckt von dem großen Gletscherbruch, der nach Süden ca. 100m Abbricht – wir stehen seilgesichert oben und genießen die Naturgewalt, die uns hier umgibt. 

Teschnitzkees Großglockner

Christian oder „Kruscht“ baut uns einen Parcours mit Eisschrauben und einem Sicherungsseil, um mit uns das Klettern im Eis, das Handling der Steigeisen und Pickel zu trainieren – gar nicht so leicht und wieder mal ungewohnt, in diesem Terrain unterwegs zu sein. Danach geht´s zu den Spalten, um dort die Bergungs- und Rettungstechniken zu üben. Für meine beiden Begleiter ist das Neuland, aber sie stellen sich super geschickt an und legen mir die Latte hoch, mich als jemand, der das schon etwas kennen und können sollte, nicht zu blamieren… aber trotz einigen Fehlern kann ich mein gelerntes Wissen halbwegs abrufen. 

Es wird langsam Mittag und Christian macht sich über die „Schere“ mit uns zum Ködnitzkees, dem südlich des Glocknergipfel gelegenen Gletscher auf – den überschreiten wir locker und steigen dann über den Mürztaler Steig, die Burgwartscharte und Kampl nach Norden direkt zur Adlersruhe und der dort gelegenen Erzherzog Johann-Hütte auf. Wir erreichen um ca. 15.00 Uhr die Hütte und sind motiviert, immerhin erwartet uns dort eine Nacht in der höchsten Schutzhütte Österreichs… oder hat Christian noch was mit uns vor??? Wir sitzen gerade gemütlich mit einem verdienten Bier in der Sonne und sehen den doch beachtlich zahlreichen Bergfexen zu, die sich in Seilschaften auf den nachmittäglichen Gipfelsturm vorbereiten. Da kommt Christian daher und meint „So Jungs, ich denke wir gehen!…“ Ich glaub´ mich trifft der Schlag – will der jetzt allen Ernstes mit uns in der Karawane an Bergsteigern mit uns zum Gipfel? Genau das hab ich befürchtet, genau so einen Sch…. brauch ich nicht… in Sekunden kreisen meine Gedanken so, bis ich Christian weiter zuhöre, der sagt: „Ich glaub´, wir gehen ein bissl liegen bis zum Abendessen, wir haben sonst eh nix zu tun“. Und er grinst dabei! So ein Hund, der hat uns voll verarscht und ich bin drauf auch noch reingefallen und hab gleich mein Kopfkino über 1000 Leute am Gipfel laufen lassen. Also alles gut soweit und wir bleiben auf der Terrasse, während Christian wirklich ein Nickerchen macht – bis wir fein Abendessen und den Berichten der gefühlt 1000 glücklichen Bergsteigern über ihren Gipfelsieg zuzuhören. Christian sagt vor dem Schlafengehen zu uns, dass es ab 0600 Frühstück gibt, offiziell. Und inoffiziell ab 0545 und ob wir denn nicht diese Option nehmen, um so früh wie möglich, vor allen anderen zu starten. Klar sind wir dazu bereit und ich schlage gleich vor, auf das Frühstück zu verzichten und schon um 0545 marschbereit zu sein. 

Freitag – Gipfeltag:

Auf geht´s: Wecker um 0530, raus aus dem Bett, Schlafsack und den Rest weggepackt, Rucksack und Gewand liegt vor der Zimmertüre, um keinem im Lager zu wecken. Wir sind wie ausgemacht mit Steigeisen und „Hirnbirn“ bewaffnet vor der Hütte – vier Mann, keiner sonst. Und ich beginne innerlich schon zu grinsen. Die Nacht ist sternenklar, und wir sehen vor uns oberhalb des Glocknerleitls zwei Lampen… da ist doch jemand vor uns, aber es ist wenig los – ich bin happy und gehe am Seilende relaxt und motiviert zum Glocknerleitl. Dort Steigeisendepot und über den Fels recht flott weiter zum Gipfel – wir brauchen keine Stunde von der Adlersruhe zum Gipfel und als ich mich am Gipfelkreuz nach Osten umdrehe, sehe ich DAS: 

Großglockner bei Sonnenaufgang

Großglockner Sonnenaufgang

Einfach nur super, dieser Moment – und das beste dran: wir sind zu acht am Gipfel! All meine Befürchtungen und Klischees über diesen Berg haben sich nicht bewahrheitet – dank Christian Riepler von den Kalser Bergführern und seiner Planung!